Aus den Reden der Unterweisung 16 von Meister Eckhart (1260-1328)

“Viele Leute meinen, sie müssten an äusseren Werken schwere Dinge auf sich nehmen, wie Fasten, Barfussgehen und dergleichen mehr, was man Busswerke nennt.
Die allerbeste Busse aber, durch die der Mensch sich wahrhaft und im höchsten Masse fördert, besteht darin, dass er sich gänzlich und vollkommen abkehre von allem, was nicht völlig Gott und göttlich an ihm und an allen Kreaturen ist, und dass er die grosse vollkommene Hinkehr zu seinem lieben Gott in einer unerschütterlichen Hingabe übe, derart, dass seine Andacht und sein Verlangen zu ihm mächtig seien. In dem Werk, bei dem dir das am besten gelingt, bist du auch am meisten heilig; und je mehr du das bist, um so viel wahrer ist deine Busse und Reue und tilgt um so mehr Sünden und alle Strafe.
Ja könntest du dich augenblicklich so kräftig und mit wahrer Abscheu von aller Sünde abkehren und ebenso kräftig zu Gott hinwenden: und hättest du die Sünden, die seit Adams Zeiten je geschahen und immer weiter geschehen, allesamt getan, das würde dir alles ganz und gar vergeben mitsamt der Strafe, so dass du, wenn du jetzt stürbest, hinführest vor das Antlitz Gottes. […]
Denn Gott sieht nicht darauf, welches die Werke seien, sondern einzig darauf, welches die Liebe, die Andacht und die Gesinnung in den Werken sei. Ihm ist ja nicht an unsern Werken gelegen, als vielmehr nur an unserer Gesinnung in allen unseren Werken und daran, dass wir ihn allein in allen Dingen lieben.
Der Mensch wäre doch allzu habgierig, der sich nicht an Gott genügen liesse. Das soll dir als Lohn bei allen deinen Werken genügen, dass dein Gott um sie weiss, und dass du Ihn darin im Sinne hast; damit gib dich ein für allemal zufrieden. Und je reiner und einfältiger du auf ihn abzielst, um so mehr büssen deine Werke alle Sünden ab.“
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