Wie Papst Benedikt gegenüber Peter Seewald erzählte, wollte Hans Küng schon in den 60er Jahren eine Kirche, in welcher die Laien gleiches Stimmrecht hätten wie Bischöfe und Priester (Mitbestimmung). Er verstand die Kirche synodal als demokratische «Ratsversammlung» (Concilium). Der Begriff in Klammer bildete die Vorlage für die gleichnamige Zeitschrift.
Die Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin. Eine Kirche ohne Chorraum.
Darauf antworteten konservativere Theologen mit der Zeitschrift «Communio», welche die Kirche nicht demokratisch von unten als soziologisches Gebilde (Ratsversammlung/Concilium) verstand, sondern sakramental (von oben) von der Hl. Eucharistie her als hierarchisch geordnete Communio von Ungleichen, aber gleich Würdigen. Allein aufgrund dieser Erinnerungen kann man leicht ersehen, wie wenig neu der Gedanke egalitärer Verhältnisse zwischen Laien und Klerikern in synodalen Versammlungen und Räten (deliberative Mitbestimmung) ist. Wie schon bei Luther wird diese Form der Synodalität mit der Taufe begründet. Sie gilt höher als die Weihe. Dadurch aber wird die Sache nicht besser, denn die Dekonstruktion des sakralen Weihepriestertums schreitet damit ungebremst voran. Ohne Priester aber wird es keine Kirche geben. Bis zu ihrem Verschwinden in bestimmten Weltregionen wird der Priester zwischenzeitlich zum (blossen) Vorsteher einer liturgischen Versammlung herabgestuft und zum Moderator von Seelsorgeteams oder zum Koordinator von Räten, Kommissionen und Gruppen gemacht. Vielerorts hat er auch diese Aufgaben bereits delegiert. Gleichzeitig springen Laien auf die von ihm geräumten Plätze, statt ihren Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Sie segnen Gräber, während Priester und Bischof andächtig und untätig danebenstehen. Der klerikalisierte Laie, der aufgrund seiner theologischen Expertise nicht mehr als Laie, sondern als Seelsorger bezeichnet werden will, übernimmt ohne Weihe die Aufgaben, die der Priester aufgrund der Weihe ausübt, eine Entwicklung, die bereits Ende der 70er absehbar war, als man den Beruf des Pastoralassistenten eingeführt hatte. Damit verbunden ist eine fortschreitende Entsakralisierung der Hl. Messe zum «Gruppenerlebnis» und «Themengottesdienst». Das sog. Messopfer ist zum Fremdwort geworden, denn es setzt einen geweihten Priester voraus, der es darbringen kann. Stattdessen haben wir weitverbreitete Wortliturgien von hauptamtlichen Laien mit Kommunionspendung, die keine Weihe voraussetzen, nur einen unsichtbaren Priester, der vorgängig die Hostien konsekriert hat. Aufgrund der genannten Gründe gibt es immer weniger von ihnen. Die Marginalisierung des Priesters schreitet voran, so sehr, dass man auf dem synodalen Weg in Deutschland seine Notwendigkeit ernsthaft in Frage gestellt hat.
Das führt uns zum zweiten Punkt: Hans Urs v. Balthasar schrieb schon in den 70 er Jahren: «Wenn heute diese fruchtbare Spannung erlahmt (zw. marianischem und petrinischem Element. Erg. ME), weil die Mariologie ihrer Stellung beraubt wird, und wenn die Frau im Zuge der Demokratisierung der Kirche in die hierarchischen Ämter hineindrängt, so wird sie damit nur aus dem Regen in die Traufe geraten. Die nachkonziliare Kirche hat ihre mystischen Züge weitgehend eingebüsst; sie ist eine Kirche der permanenten Gespräche, Organisationen, Beiräte, Kongresse, Synoden, Kommissionen, Akademien, Parteien, Pressionsgruppen, Funktionen, Strukturen und Umstrukturierungen, soziologischen Experimente, Statistiken: mehr als je eine Männer-Kirche, es sei denn ein geschlechtsloses Gebilde, in dem die Frau ihren Platz so weit erobern wird, als sie bereit ist, selber ein solches zu werden.» (Klarstellungen, Einsiedeln 2008, 5. Aufl. S. 70). Wie Recht er hat! Das ist deshalb so, weil die Frau sich bürokratisieren lässt, um innerhalb der Hierarchie der Kirche bis zu vatikanischen Spitzenämtern das zu tun, was vorher ein Kleriker (Bischof/Priester) getan hat. Damit wird sie im Sinne Balthasars geschlechtslos und zur Funktionärin, wenig mystisch aber glücklich, an der Macht des Mannes in der Kirche teilzuhaben. Die Kirche wird dadurch nicht femininer, auch nicht dienender. Für eine feminine Kirche müsste die Frau in ihr anders leben als der Mann, mystischer, ohne nach den bisher von ihm ausgeübten Aufgaben bzw. Funktionen zu streben. Dasselbe gilt auch für den (hauptamtlichen) Laien, der ohne Weihe alles wie der Priester tun und sein will. Auch er verliert sein eigenes Charisma und verfehlt seinen Stand. Nun trifft man also die Frau auf allen hierarchischen Ebenen der Macht (in unserem Kontext die falsche Kategorie), im Sinne Balthasars ein Vorgang der Selbstentfremdung der Frau und der Kirche in einem. In der Tat hängt beides zusammen. Man staunt, wie blind alle Beteiligten sind. In den Ordinariaten beispielsweise gibt es nun die Kanzlerin und alle meinen, es gehe damit mit der Kirche und der Frauenfrage voran. Wir warten nun auf die Diakoninnen, gegenüber der Mehrheit der Frauen in der Kirche eine potenzielle, für die Stellung der Frau in der Kirche nicht wirklich relevante, absehbar kleine Gruppe. Aber noch sind wir nicht so weit. Ich für meinen Teil glaube sogar, dass es sie nie geben wird, aber vielleicht eine Art ungeweihte, benedizierte «Diakonisse», die priesterliche Funktionen oder Aufgaben übertragen bekommt, ohne Priesterin bzw. geweihte Diakonin zu sein ähnlich den Weihrauchspenderinnen im neuen Maya-Ritus.
Symbolisch gesprochen wird der Turm von Pisa nicht mehr gerade. Es liegt an seinen Fundamenten. Mit anderen Worten: Wir haben seit 60 Jahren den falschen Ansatz, den strukturellen.
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